Akira 02

In jenen Tagen, da Licht und Schatten um die Seele der Welten rangen, erhob sich ein Wesen aus der Stille – ein Meister, geboren aus der Dunkelheit, geformt nicht von Leben, sondern vom Echo des Todes. Man nannte ihn Akira.

Einst war er Herrscher über ein Reich jenseits der Zeit, eine Totenwelt, still wie der Atem des Vergessens, wo Seelen ruhten, bis die Quellen der Wiedergeburt sie erneut in die Schöpfung entließen. Doch dann kam der Krieg der Götter – jene, die ewig starben und ewig erwachten – und mit einem letzten Aufbäumen zerschlugen sie die heiligen Quellen. Das Rad des Lebens zerbrach. Die Welten wurden still. Die Seelen vergingen. Und nur zwei wandelten fortan durch das Nichts: Akira – der nie lebte – und Kimaru – sein Bruder im Unendlichen.

Wie Schatten zogen sie durch Äonen der Leere, stumm, unendlich, gebunden an ein Sein ohne Ursprung. Bis, aus weiter Ferne, ein Licht durch das Dunkel drang – warm, golden, leuchtend wie ein ewiger Sonnenaufgang. Der Herr der Glückseligkeit sandte ihnen Hoffnung.

Akira wandte sich dem Licht zu, ließ die Düsternis nicht zurück, sondern formte aus ihr eine neue Stärke. Aus Asche und Traum erschufen sie zu dritt eine neue Welt – Niadra – ein Land des Friedens, des Gleichgewichts, ein Ort zwischen den Welten. Dort, auf der feurigen Insel Eldamar, am Rande des Blutenden Berges, lebt Akira nun.

Akira 03Ein Junge erscheint. Er – kaum älter als fünfzehn Winter –, mit zerzaustem Haar so schwarz wie Mondlosigkeit. In einem schlichten Gewand, das seine magere Gestalt kaum verbirgt, schreitet er lautlos durch Rauch und Schweigen. Doch wer ihn unterschätzt, kennt die Wahrheit nicht. Nur Kimaru kennt seine Kunst – göttlich, unfehlbar, ein Tanz aus Bewegung und Willen, der die Welten schneiden könnte wie Seide.

Aschgrau leuchten seine Augen – wie zwei gefrorene Sterne in der Weite der Nacht. Seine Stimme, wenn sie erklingt, lässt selbst den Wind erstarren. Doch er spricht nur mit zweien: Kimaru – dem Vertrauten – und dem Herrn der Glückseligkeit – dem, der ihm das Licht brachte.

Er lehrt an der Schule des Friedens – nicht mit Worten, sondern mit Sein. Ein Wächter ist er, ein schweigsamer Hüter, der mit jeder Geste Frieden stiftet. Und wenn der Vulkan unter ihm bebt, wenn Feuer aus dem Innersten drängt, dann ist es nicht Zorn, sondern das Echo seiner verschlossenen Seele – gebändigt durch uralte Disziplin.

So lebt Akira, der nie geboren wurde, als Schild von Niadra, als Schwert des Gleichgewichts. Ein Wesen zwischen Leben und Tod, zwischen Schatten und Licht. Ein Gedicht aus Stille. Eine Legende in Menschengestalt.